Wer einen oder mehrere Mentor*innen hat, lebt besser in der Geschäftswelt.
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Der Technologie-Mogul Steve Jobs war es für den Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Der Sänger der Rolling Stones, Mick Jagger, war es für die Künstlerin Tina Turner. Für Startup-Gründer*innen ist ein Mentor oder eine Mentorin ein begehrenswerter, sozialer Spiegel, durch den sie auf ihr eigenes Geschäftsverhalten blicken.
Ursprünglich wurde die Mentor*innen-Rolle in der griechischen Mythologie erfunden. In Homers Odyssee ist Mentor der väterliche Berater von Telemachos, dem Sohn des König Odysseus. Da Odysseus zehn lange Jahre heldenhafte Irrfahrten bestehen muss, kann er seinem Nachkommen für die Ausbildung zum Herrscher nicht zur Seite stehen. Als das menschliche Sprachrohr von Athene, der Göttin der Weisheit, lehrt deshalb Mentor den jungen Königssohn, weder feige noch überheblich zu sein.
In den heutigen Kaderschmieden für Gründer*innen, den Accelerators, Incubators und Bootcamps, wird eher ein schlichter Verhaltenscodex gelehrt: „Sei nüchtern, bestimmt, hemmungslos!“ Business Mentoring wird überall mit angeboten, gehört heute zum guten Ton, aber ich sehe nur wenige Mentor*innen, die nicht nur Tipps und Tricks aus der Geschäftspraxis verraten.
Das verlangt von Mentor*innen die Fähigkeit, zu erkennen, wo die Selbstüberschätzung lauert – bei sich selbst und beim Mentee. Gegenüber der Sucht nach schneller Ordnung und sogenannten Quick Fixes sollten wir als Mentor*innen immun sein. Dann hat Business Mentoring Tiefe und Charme.
Rollenkonfusion ist Gift: Mentor*innen sind Vertrauenspersonen, die frei von direkten Geschäftsinteressen am Startup sind.
Ich sehe zu oft Mentoren*innen, die eigentlich Coaches sind. Coaches trainieren Leistung, z. B. Verhaltensmethoden und Werkzeuganwendung. Mentor*innen geben Raum zum Reifen und sind für die Mentees daher Spiegel, die eigenen Stärken und auch die blinden Flecken der eigenen Persönlichkeit zu erkennen. Ich sehe auch mit Erstaunen, dass Investor*innen sich als Mentor*innen anbieten. Investor*innen, die Startups nach der Verwertbarkeit für eigene Ziele beurteilen, sind nicht frei, die Gründer*innen von der Leine zu lassen.
Angst ist Gift: Mentor*innen verhindern Abhängigkeiten.
Die Mentor*innen als Gönner*innen und die Mentees als Günstlinge – das passt zu Geschäftspersonen, die Dominanz und Hierarchie bevorzugen. Legendär für dieses Verständnis ist ein Satz aus dem Spielfilm „Der Pate“, den der Pate Don Corleone genüsslich ausspricht: „Irgendwann, möglicherweise auch nie, werde ich dich bitten, mir eine kleine Gefälligkeit zu erweisen.“ Wenn Mentor*innen den Protegees das Gefühl geben, in deren Schuld zu stehen, werden sich Mentees fürchten oder Verbundenheit heucheln.
Respektlosigkeit ist Gift: Mentor*innen lehren freundliche Distanz.
Der Mentor bzw. die Mentorin als Buddy, als Kamerad*in, das wird gern als die aufgeklärte Form des Mentoring verstanden. Das sehe ich nicht so. Im Geschäftsleben bevorzugen meist die Personen das Buddy-Modell, die Machtverhältnisse ungern ansprechen oder sie sogar verschleiern wollen. Für mich gehört der soziale Spiegel von Kamerad*innen eher in das Setting einer Selbsthilfegruppe. Was mir im Buddy-Modell fehlt, ist ein wohltuender Abstand, der die Startup-Gründer*innen zwingt, sich wie Geschäftspartner*innen und nicht wie Social Media Followers zu benehmen.
Es gibt immer mehr Gründer*innen, die sich nicht in Verhaltensstereotypen pressen lassen wollen. Diese Gründer*innen suchen ein Mentoring, das ihren Widerspruchsgeist und ihre Unangepasstheit respektiert und nutzt.
(Titelbild: © Andrés Canchón on Unsplash | Foto im Text: © John Matychuk on Unsplash)
Veröffentlicht am 7. Oktober 2019