Hinter dieser kryptischen Zahlenfolge 635 versteckt sich kein Zahlendreher bei der Anzahl der Tage im Jahr, sondern eine findige Kreativitätstechnik zur Problemlösung jeglicher Fragestellungen.
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Ob vor, während oder nach deiner Gründung kann dir die 6-3-5-Methode helfen, einige der großen schwebenden Fragezeichen über deinem Kopf aufzulösen. Schließlich müssen weitreichende Entscheidungen getroffen werden und Ideen sind essentiell, wenn es darum geht, das eigene Startup zu etablieren. Aber auch darüber hinaus muss es ja einen Ursprung all der fantastischen Konzepte und Strategien in erfolgreichen Unternehmen geben. Deshalb erfährst du jetzt, was es damit auf sich hat.
Fragst du dich manchmal, wie du möglichst kreativ und trotzdem realistisch unternehmerische Herausforderungen angehen sollst? Die Antwort darauf ist naheliegender als du denkst, sitzt vielleicht sogar gerade neben dir: dein Team. „Das größte Innovationspotential wird bei den eigenen Mitarbeiter:innen freigesetzt“, sagt Richard Hammerer, Inhaber von KulturKonstrukt – eine organisations- und wirtschaftspsychologische Unternehmensberatung in Salzburg. Ab September hält der Unternehmenscoach am WIFI einen Kurs zum Thema Innovation und Kreativität. Die 6-3-5-Technik ist eine seiner liebsten, wenn es um den Ideenfindungsprozess geht, das Teamgefühl zu stärken und vor allem zu unkonventionellen Lösungen zu finden.
Die Technik wurde von dem deutschen Unternehmensberater Bernd Rohrbach 1986 erarbeitet und zählt zu den Methoden des Brainwriting. Im Gegensatz zum Brainstorming ist das Brainwriting eine verschriftliche Form der Ideengeneration. Alle Teilnehmer:innen notieren ihre Geistesblitze anonym zu einer vorgegebenen Fragestellung, geben dann die Notiz weiter und arbeiten an den Einfällen ihrer Kolleg:innen – ohne sie zu beurteilen. Dadurch entstehen bestenfalls 90 (6 Personen x 3 Ideen x 5 Weitergaben) ausgearbeitete Ideen.
Am besten fragst du sechs Menschen aus verschiedenen Bereichen und Job-Levels (damit deckst du mehr Blickwinkel ab) sich zusammenzusetzen und innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums je drei Einfälle zu einer Problemstellung auf einen Zettel zu schreiben. Die Blätter werden dann im Kreis weitergereicht (insgesamt fünf Mal), um die Einfälle der Kolleg:innen weiterzuspinnen. Von Runde zu Runde wird damit das Ausarbeiten der vorangeschrittenen Ideen schwieriger, deshalb solltest du auch die Zeitspanne immer wieder erhöhen.
Wichtig ist, dass die Ideen während des Prozesses nicht kritisiert werden. Jeder konstruktive Input wird weiterentwickelt, um zu sehen, ob daraus eine interessante Lösung entsteht. „Nur wenn sich alle ernstgenommen fühlen, werden sie sich trauen ihre surrealen aber vielleicht genialen Einfälle zu teilen“, sagt Hammerer. Im Best-Case entstehen enorm viele neue Ideen. „Die eignen sich mehrheitlich schon für die Umsetzung, weil sie seit den ersten Brainstorming-Runden durch die kontinuierliche Weiterentwicklung der anderen gereift sind.“
Du hast eine Idee für ein innovatives Produkt und willst ein Unternehmen gründen. Jetzt geht es an die Umsetzung, an den Vertrieb, die Produktion und die Unternehmensführung. Eine der wichtigsten Fragestellungen könnte dabei lauten:
Person 1 schreibt in der ersten Runde dazu ihre drei Gedanken auf:
Idee 1: Umweltfreundliche Mobilität promoten.
Idee 2: Digitale Technologie einsetzen.
Idee 3: Papierverschwendung vermeiden.
Person 2 entwickelt in der zweiten Runde die Ideen von Person 1 (eine Spalte darunter) weiter:
(zu) Idee 1: Wenn sich Mitarbeiter:innen Fahrräder kaufen um damit zur Arbeit zu kommen, bezahlt das Unternehmen einen Teil der Anschaffungskosten.
(zu) Idee 2: Treffen mit Geschäftskontakten oder Partner:innen aus anderen Regionen oder Städten sollen digital stattfinden.
(zu) Idee 3: Eine Regel aufstellen, dass keine E-Mails mehr ausgedruckt werden dürfen.
Person 3 wiederum entwickelt in der nächsten Runde die vorherigen Ideen weiter und so zieht sich das fort, bis alle Teilnehmer:innen durch sind und du ein buntes Potpourri aus spannenden Ideen hast.
In der Praxis sind all das Variablen, die speziell geformt werden können. Abhängig von deinen Themen und Ressourcen an Teilnehmer:innen kannst du die Methode abwandeln – mit weniger kreativen Köpfen oder mehr Zeit zwischen den Runden bei komplexen Fragestellungen. „Ich gebe bei der ersten Runde zwei Minuten, erhöhe beim zweiten Durchgang auf vier Minuten und verdopple dann immer wieder die Zeiten. Bei größeren Themen könnte man aber auch auf einen ganzen Tag erweitern“, sagt der Business-Coach.
Falls du auf Remote-Work setzt, kannst du das Brainwriting auch online durchführen. Die Anonymität stellst du beispielsweise sicher, indem du einen gemeinsamen Ordner anlegst und dort sechs Dokumente mit deiner Fragestellung speicherst, sie nummerierst und alle Teilnehmer:innen wissen, dass sie einmal jede Seite bearbeiten sollen. Um zu vermeiden, dass sie gleichzeitig bearbeitet werden, könntest du allen einen eigenen Zeitslot als Bearbeitungszeit zuteilen.
Schlussendlich wirst du sechs Dokumente mit einer Fülle an Ideen vor dir haben, die sich in der Hand von vielen verschiedenen Denkenden entfaltet haben. Was für eine Goldgrube! Jetzt ist die Zeit gekommen sie durchzugehen – in der Gruppe oder nur du für dich. Darauf basierend könnte zum Beispiel schon bald dein erfolgreiches Nachhaltigkeits-Konzept entstehen.
Wenn du die 6-3-5-Methode anwendest, willst du bestimmt alles aus ihr rausholen, oder? Wir haben deshalb von Richard Hammerer noch ein paar Tipps eingeholt, wie du die Kreativität deiner Teilnehmer:innen förderst.
„Schon mal gewundert, warum uns die besten Ideen in der Dusche einfallen? Die meisten kreativen Ideen kommen uns, wenn wir gerade mit etwas ganz anderem beschäftigt sind. Unser Gehirn ist nämlich ein Problemlösungs-Apparat. Das heißt, wenn wir mit einem Problem konfrontiert sind, arbeitet unser Unterbewusstsein sofort daran, es zu lösen. Und das am besten, wenn es aktiv im Einsatz ist.“
„Kreativität braucht Luft und Raum. Ich setze meine Teilnehmer:innen immer in die Wiese oder unter einen Baum, wenn es darum geht kreative Lösungen zu erarbeiten. Enger Raum begrenzt freies Denken, das ist sogar wissenschaftlich erwiesen. Zum Beispiel wurde getestet, wie sich die Deckenhöhe bei kreativen Gedankengängen auswirkt. Es kam tatsächlich heraus, dass eine niedrige Deckenhöhe die Kreativität um bis zu 25 Prozent einschränken kann. Das heißt, in Wohnungen mit niedrigen Decken haben die Studienteilnehmer:innen zwar mehr Beistrichfehler in Texten gefunden, aber nicht die großen innovativen Ideen.“
Spannend? Wir haben dazu noch ein bisschen weiterführende Lektüre für dich:
(Copyright Titelbild: © Chang Duong on Unsplash)
Veröffentlicht am 3. August 2021