Bis Start-ups erste Umsätze machen, kann es lange dauern. Auf der Suche nach Geld ist der klassische Bankkredit daher oft kein Thema. Zu enge Regularien, zu hohes Risiko. Aber es gibt alternative Finanzierungsmöglichkeiten, wo sich gute Ideen gegen Geld tauschen lassen.*
How to
Wer einen Friseursalon eröffnen will, braucht eine Befähigung und ein Geschäftslokal. Mit dem ersten Kunden kommen dann auch die ersten Einnahmen. Grundsätzlich gute Voraussetzungen für einen Gründungskredit. Bei Start-ups gestaltet sich das anders. Sie entwickeln neue Produkte oder Dienstleistungen, beschäftigen sich mit Innovationen. Und etwas Neues zur Marktreife zu führen, braucht (in der Regel) Zeit. Zudem ist nicht gesagt, dass das auch gelingt. Genau aus diesem Grund wird von Risikokapital gesprochen. Aber wie kommen Start-ups nun zu einer Finanzierung?
Den Schnürriemen enger ziehen
Am Anfang werden die eigenen Ressourcen angezapft und bei der Familie um Geld angeklopft. Wird ein Start-up mit Eigenmitteln hochgezogen, fällt häufig der Begriff „Bootstrapping“. Warum? Weil der Schnürriemen enger gezogen und die persönlichen Ausgaben minimiert werden müssen. „Man muss wirklich sparsam sein und sich auf das Wesentliche fokussieren“, weiß Gerald Stangl aus eigener Erfahrung. Der Salzburger ist einer der vier Gründer von mySugr, einer Diabetes-App. Ursprünglich waren es mehr. Mit dem engen finanziellen Spielraum konnten sich aber nicht alle anfreunden.
Selma Prodanovic, Jurymitglied der ersten Staffel der Puls4-Show „2 Minuten 2 Millionen“, beobachtet, dass es in jüngerer Vergangenheit „in“ geworden ist, einen Investor zu brauchen. Allerdings sei das in einem frühen Stadium meist noch nicht notwendig.
Profil kommt vor Profit
Den Fokus weniger aufs Geldsammeln, sondern auf die Konkretisierung der Geschäftsidee zu legen, lautet die Prämisse. Denn wer externes Geld will, muss seine Hausübungen gemacht haben. „Ein gutes Geschäftskonzept bzw. ein evidentes Kundenproblem sowie einen plausiblen und schlüssigen Ansatz, wie diese Problem zu lösen ist. Das ist es, was wir von Start-ups erwarten“, erklärt Bernd Litzka vom Austria Wirtschaftsservice (AWS). Die Förderbank ist eine mögliche Anlaufstelle für Start-ups. Auch das mySugr-Team ist dort vorstellig geworden und hat eine PreSeed-Förderung von 140.000 € eingesteckt. Und das, obwohl ihnen keine großen Chancen eingeräumt wurden. „Aber wir haben uns in den Business Plan und die Präsentation richtig reingehaut, waren perfekt vorbereitet und konnten auch als Team überzeugen“, erzählt Stangl.
Ein Viertel der Fördersumme muss an privaten Mitteln vorhanden sein, das ist Bedingung des aws. Schließlich braucht es auch für öffentliche Gelder eine gewisse Absicherung. Doch woher nehmen, wenn die privaten Geldressourcen schon aufgefressen sind? Hier kommen Business Angels ins Spiel.
Kohle, Kontakte und Know-how
Business Angel sind private Geldgeber, wobei sie in der Regel weit mehr als „nur“ Geld investieren. Coaching, Mentoring, das Vermitteln von Kontakten oder auch das Vermitteln, wenn es teamintern kracht. Die Bezeichnung „Engel“ kommt nicht von ungefähr. Dahinter stehen in der Regel Personen mit viel Erfahrung und einem guten Netzwerk, das sie mit den Gründern teilen. So wie Andreas Spechtler, Präsident von Dolby International, und privat an fünf Start-ups beteiligt. Die berät er auf vielen Ebenen: „Die Start-up-Förderung lässt sich nicht über einen Kamm scheren. Im Gegenteil, es geht darum, maßgeschneiderte Lösungen gemeinsam mit den Gründern zu erarbeiten und zu schauen, wo man sie bestmöglich unterstützen kann.“
Business Angels wie Spechtler, die investieren und sich engagieren, gibt es in Österreich mittlerweile einige. Das AWS vermittelt Business Angels genauso wie die Austrian Angels Investor Association (AAIA). Auch bei diversen Pitching-Events kann um Gunst und Geld geworben werden. Ein gutes Team, eine interessante Geschäftsidee und ein großer Marktbedarf, auf diese drei Punkte achten Business Angel im Besonderen (siehe Seite 8/9). „Wer in Österreich einen Business Angel finden will, der findet auch einen“, ist Werner Wutscher überzeugt. Der ehemalige REWE-Vorstand hält selbst einige Beteiligungen und bringt etablierte Unternehmen mit innovativen Start-ups zusammen. Sein Tipp: Klar kommunizieren, wofür man wieviel Geld braucht und die Suche strategisch angehen, anstatt jeden um Geld anzugehen. Prodanovic vergleicht die Wahl des Business Angel mit der Partnerwahl: „Wenn Sie einen Mann oder eine Frau suchen, nehmen Sie auch nicht gleich den oder die erstbeste.“ Da Business Angels eng an den Gründern dran sind, muss es zwischenmenschlich passen. Zudem macht es Sinn, wenn er oder sie von der jeweiligen Branche etwas versteht. Denn nur dann lässt sich von den Kontakten und Erfahrungen profitieren.
Auch Kleinvieh macht Mist
Wenig Geld vom Einzelnen, aber das von möglichst vielen, so funktioniert Crowdfunding. Dabei geht es darum, möglichst viele „kleine“ Investoren zu finden, die die Idee finanziell unterstützen. Über Plattformen wie 1000×1000.at oder Conda.eu können Projekte präsentiert und Gelder lukriert werden. Nur weil die Beträge des Einzelnen durchaus niedrig sein können, darf es nicht an Professionalität mangeln. Um die Masse zu erreichen, muss zu allererst deren Interesse geweckt werden. „Ich muss eine gute Story erzählen und auf meine Idee aufmerksam machen, das ist das Um und Auf“, weiß Reinhart Willfort, Initiator der erste österreichischen Crowdinvesting-Plattform: „Natürlich muss die Story wahrheitsgetrau sein, der Business Plan stimmig und das Team gut sein.“ Gute Vorbereitung ist daher auch beim Crowdfunding nicht zu vernachlässigen. Wer über die Crowd Gelder lukrieren will, der bekommt einen Markttest gleich mitgeliefert. Kann die Crowd nicht aktiviert werden, dürfte Produkt oder Dienstleistung (noch) nicht marktreif sein. „Das ist sehr hilfreich, denn dann lässt sich noch daran arbeiten. Funktioniert es, fungieren die Investoren gleichzeitig als Multiplikatoren und tragen die Idee weiter“, unterstreicht Willfort die Gadgets, die mit dem Crowdfunding verbunden sind.
Einen Fonds an Land ziehen
Geht es um die Marktdurchdringung, heißt es für Start-ups die nächste Finanzierungsrunde einzuläuten. Häufig wird hier eine größere Summe benötigt und da kommt Venture Capital in Spiel. mySugr will in die USA expandieren und konnte für dieses Vorhaben 4,2 Mill. € auftreiben. Zu den Geldgebern zählen XLHealth, Roche Ventures und iSeed Ventures.
Sehr aktiv ist der Wiener Start-up-Investor Speedinvest. 2015 wurde ein Fonds aufgelegt und von über 100 Investoren rund 90 Mill. € eingesammelt. Pro Jahr sind 15 neue Investments in Start-ups geplant. Am österreichischen Markt ortet Marie Hélène Ametsreiter, Partner bei Speedinvest, großes Potenzial: „Wir haben großartige Talente, die auch schon international erfolgreich sein konnten.“ Der Fonds ist dafür bekannt, bereits in einer frühen Phase der Produktentwicklung an Bord zu gehen und sich auch aktiv einzubringen. Die Intensität des Engagements von Venture Capital variiert allerdings je nach Partner und Vertragsgestaltung. Es kann auf reiner Finanzmittelbereitstellung basieren, genauso aber auch eine Managementunterstützung bedeuten. Von Business Angels unterscheidet sich Venture Capital in mehrfacher Hinsicht. Fonds verwalten das Geld anderer, stellen einen fixen Zeitplan auf und haben meist auch höhere Ansprüche. „Das heißt nicht, dass Business Angels die Caritas sind, aber im Zweifel einfach flexibler, weil es sich um ihr eigenes Geld handelt und sie gegebenenfalls auch zwischenfinanzieren können“, erklärt Wutscher. Die Kriterien, auf die bei einem Investment geachtet werden, sind hingegen überschneidend: „Das Team steht ganz klar im Vordergrund. Wenn die Menschen überzeugen, ist viel gewonnen. Daneben sind für uns Marktpotenzial sowie die Skalierbarkeit der Produktidee entscheidend“, betont Speedinvest-Managerin Ametsreiter.
Kurz & knapp
Ein Überblick zu den verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten, inklusive einer Auswahl an Kontakten und Ansprechpartnern.
Förderungen
Die österreichische Förderlandschaft ist auch nach Ansicht internationaler Investoren gut aufgestellt. Gefördert werden nicht nur Gründungen, sondern auch Entwicklung und Forschung.
Business Angels
Helfen beim „Hochziehen“ eines Unternehmens und beteiligen sich nicht nur mit Geld, sondern auch mit Wissen und Kontakten.
Crowdfunding
Bei der Schwarmfinanzierung geht es darum, möglichst viele Menschen dazu zu bewegen, ein Projekt zu finanzieren.
Venture Capital
Venture-Capital stellt keinen Kredit dar, sondern ist eher als eine Form der Entwicklungshilfe für eine Unternehmensidee zu sehen. Bereitstellung von Venture Capital wird in erster Linie von den Wachstumschancen des Unternehmens und der daraus resultierenden Rendite abhängig gemacht.
Veröffentlicht am 4. Oktober 2016