Im Jahr 2017 haben wir schon einmal über Symptoma berichtet. Damals stand das Startup noch ganz am Anfang. Aktuell überschlagen sich die Erfolgsmeldungen, nicht zuletzt weil sie weltweit die erste KI entwickelt haben, die das persönliche Covid-19-Risiko ziemlich genau bestimmen kann. Das haben wir zum Anlass genommen, um bei CEO Jama Nateqi nachzufragen, was sich seit unserem letzten Gespräch getan hat.

Startups

Vor drei Jahren haben wir dich zitiert mit dem Satz „Wir haben das Potenzial, das Google der Medizin zu werden.“ Seid ihr das in der Zwischenzeit geworden?

Wir werden schon von 10 Millionen Ärzt*innen und Patient*innen weltweit im Monat genutzt. Damit sind wir der größte Symptom-Checker weltweit und haben auch einen immer größer werdenden Einfluss. Also ja, ich würde sagen, dass wir auf einem guten Weg sind, zum „Google der Medizin“ zu werden.

Jama Nateqi ist Co-Founder und CEO von Symptoma. (Foto: symptoma.com)

Was hat sich seit 2017 bei Symptoma getan?

Mittlerweile haben wir drei Standorte. Der Hauptsitz ist nach wie vor in Attersee, der Standort in Salzburg wurde vergrößert und wir haben einen sehr großen Standort in Wien. Wir sind mittlerweile 70 Leute weltweit und 30 Angestellte in Österreich. Wir schreiben nach wie vor positive Zahlen, also Gewinne. Das hat sich auch trotz der sehr hohen Investments, zum Beispiel in den Teamaufbau, nicht verändert. Außerdem haben wir unsere Reichweite erhöht.

Was hat sich am meisten verändert in den letzten Jahren?

Die größte Entwicklung hat unsere Suchmaschine hin zu einem digitalen Gesundheitsassistenten gemacht. Damit kam dann auch der große Ansturm von Patient*innen und Ärzt*innen gleichermaßen, die unser System nutzen. Außerdem kooperieren wir mit Thieme, dem größten Verlag im deutschen Sprachraum im Bereich Medizin. Die Ärzt*innen können über Thieme Symptoma nutzen und werden gleichzeitig an die richtige Literatur des Verlags verwiesen. Das heißt, sie bekommen eBooks und Journale, um dann mehr über die diagnostizierten Krankheiten zu erfahren.

2017 war Symptoma nur Ärzt*innen zugänglich. In der Zwischenzeit kann jede Person euren Chatbot nutzen. Was hat euch zu diesem Schritt bewogen, euer Produkt für die Allgemeinheit zu öffnen? Und wie hat sich das auf euer Produkt ausgewirkt?

Wir haben mit etwa 40 Patient*innen-Organisationen gesprochen und haben dabei festgestellt, dass die Patient*innen einen sehr hohen und auch gerechtfertigten Bedarf an korrekten Informationen haben. Für uns hat das bedeutet, dass Symptome auch über Freitext und in Umgangssprache eingegeben werden können müssen, weil Mediziner*innen ja andere Worte verwenden als Patient*innen.

Wie funktioniert das?

Nutzer*innen geben Symptome ein, getrennt mit einem Komma. Unser Chatbot stellt dann automatisch die richtigen Fragen, um dann die Diagnose beziehungsweise die Suche besser einzugrenzen. Das funktioniert mittlerweile so gut, dass du zum Beispiel „Tiramisu“ als Suchwort eingeben kannst und das System fragt dich nach Bauchschmerzen und schlägt dann Salmonellen als mögliche Ursache vor.

Einfach Symptome eingeben, die Fragen des Chatbots beantworten und schon steht die Diagnose bereit. (Foto: symptoma.com)

Ihr kooperiert aktuell mit der Stadt Wien im Bereich Covid-19-Risikoerkennung, auch um die Gesundheits-Hotline 1450 zu entlasten. Dabei wurde euer Symptom-Checker in den ersten 24 Stunden nach Launch 1,5 Millionen Mal aufgerufen. Sind weitere Kooperationen mit anderen Bundesländern oder Ländern geplant?

Ja, wir wurden auch schon von der Europäischen Kommission (EK) beauftragt. Die Geschichte dazu ist folgende: Symtoma ist auch dazu in der Lage, ultraseltene Krankheiten aufzudecken. Die EK hat uns dabei in der Vergangenheit bereits unterstützt und uns dann gebeten, unsere Technologie auch auf Covid-19 anzuwenden. Was sie aber noch nicht wussten ist, dass wir das ja schon längst machen (lacht). Denn wir haben schon im Jänner 2020 damit angefangen, unsere künstliche Intelligenz (KI) auf die Erkennung von Covid-19 zu trainieren. Unsere KI ist die erste weltweit, die das kann.

Wir haben schon über 40 Millionen Tests durchgeführt, zwei Studien hinsichtlich der Treffergenauigkeit veröffentlicht und wissenschaftlich geprüft. Die dritte Studie ist im Preprint publiziert. Diese Publikationen zeigen, unter anderem in Nature, dass die diagnostische Treffergenauigkeit unseres Chatbots mit 96,32 % die höchste am Markt ist. Wir wurden auch schon von der österreichischen Regierung, von Krankenhäusern, Krankenversicherungen sowie kleinen und großen Unternehmen beauftragt.

Jama Nateqi bei seiner Rede vor dem EU-Parlament im Jahr 2017. (Foto: symptoma.com)

Ihr seid jetzt also die Ersten mit einer KI am Markt zur Symptomerkennung. Habt ihr eigentlich Mitbewerber?

Früher waren es vielleicht eine Hand voll Unternehmen. Heute sind es mehr. Wir haben den ersten sehr wichtigen Schritt gesetzt und zeigen, wie man in unserer Industrie wissenschaftlich geprüfte Studien durchführen und publizieren kann. „Wissenschaftlich geprüft“ bezieht sich darauf, dass sich mehrere Fachexpert*innen eines wissenschaftlichen Journals die Studie und Methoden ansehen, das nennt man auch Peer-Review. Ich freue mich auf den Tag, wo alle ihren wissenschaftlichen Ansatz mit Transparenz und Genauigkeit präsentieren, ohne sich nur auf ein Bauchgefühl zu verlassen.

Symptoma verzeichnet gerade einige Erfolge: Du bist unlängst Österreicher des Jahres 2020 im Bereich Forschung geworden. Oder die Kooperation mit der Stadt Wien, die durch die Decke ging. 2017 hast du vor dem EU-Parlament gesprochen, 2019 vor dem Deutschen Bundestag. Die Liste könnte man beliebig erweitern. Was ist dein persönliches Erfolgsrezept?

Du, ich stehe morgens gerne zwischen 1 und 2 Uhr auf und fange an zu arbeiten … (lacht) … nein im Ernst, ich verbinde Arbeit und Privatleben schon soweit ich kann miteinander. Ich beginne meinen Tag mit Meditation und Sport. Außerdem habe ich ein fantastisches Team und mit Thomas Lutz einen fantastischen Mitgründer. Mit ihm arbeite ich schon seit 18 Jahren zusammen. Das ist unser zweites gemeinsames Unternehmen. Ohne ihn hätte ich auch Symptoma nicht gemacht. Eine weitere Strategie, die ich verfolge, ist hartnäckig zu bleiben und immer dazuzulernen.

Jama Nateqi wurde seine Auszeichnung als Österreicher des Jahres 2020 im Bereich Forschung auf dem Attersee übergeben. (Screenshot: ORF III)

Was würdest du anderen Gründer*innen raten?

Genau das eigentlich: hartnäckig bleiben und immer dazulernen. Man sollte sich auch trauen, Fehler zu machen und falsch zu liegen. Wenn man einmal falsch liegt, dann sollte man sich dem nicht verschließen, sondern es anerkennen. Und wenn man einmal hinfällt, sollte man wieder aufstehen und es dann noch einmal richtig machen.

Seid ihr überhaupt noch ein Startup?

Nein, wir sind ein Scaleup oder generell ein Unternehmen. Wir sind vom ersten Jahr an profitabel. Es ist uns sehr wichtig, dass wir ein Unternehmen sind, dass nicht einfach nur Geld verbrennt. Sondern auch selbst Geld erwirtschaftet und sich selbst und das eigene Wachstum auch tragen kann. Wir haben nur ein Investment gehabt vom Oberösterreichischen HighTechFonds, das war 2015. Da haben wir auch schon mittlere fünfstellige Gewinne gemacht jeden Monat. Das hat uns natürlich einen gewissen Push gegeben. Aber wir möchten nicht abhängig sein müssen. Alles, was zusätzlich an Geld hereinkommt ist schön. Aber das Unternehmen als solches muss sich selbst tragen können. Da ist „Startup“ oft ein schönes Wort für „kann sich nicht selbst finanzieren.“

Wie ist denn deine beziehungsweise eure Verbindung zu Startup Salzburg?

Wir sind in der Startup-Szene in Salzburg immer wieder auch als Coaches oder in Jurys tätig, um dann andere Gründerinnen und Gründer in der Frühphase ihres Startups zu unterstützen. Und um auch das Ökosystem hier weiter aufzubauen. Das finden wir sehr wichtig.

An drei Standorten wird an Symptoma gefeilt. (Foto: symptoma.com)

Ihr vergebt auch Stipendien. Als jemand, der selbst immer viel neben dem Studium gearbeitet hat, finde ich das sehr sympathisch. Aber das ist doch ein bisschen ungewöhnlich, oder? Warum macht ihr das?

Ja, das ist wirklich sehr ungewöhnlich. Vor allem, wenn man das als ein Unternehmen macht, das meistens selbst irgendwie stark Investitionen tätigt. Wir machen das, weil wir uns auch als soziales Unternehmen verstehen.

… oder ist das ein geheimes Rekrutierungstool?

Nein, gar nicht. Es ist tatsächlich sehr ernst gemeint. Wir, Thomas und ich, haben selbst neben dem Studium sehr viel gearbeitet, um uns das Studium zu finanzieren. Ich hab an der PMU studiert und mir die ganzen Kosten dafür selbst erarbeitet. Ich habe sogar über 20 Kommiliton*innen mehr oder weniger zwischendurch beschäftigt. Das heißt, ich weiß durchaus wie es ist, wenn man während des Studiums auch noch arbeiten muss. Das ist einfach ein kleiner Tribut an all die engagierten Studierenden, die kein leichtes Leben haben und nebenbei auch arbeiten müssen oder wollen. Die sollen es ein bisschen leichter haben. Dafür ist unser Stipendium gedacht.

Abschließend noch eine Frage zur aktuellen Pandemie: Abgesehen von eurem Produkt, wie hat euch die Pandemie als Unternehmen beeinflusst?

Da bin ich ziemlich stolz auf unser Team: Am Anfang der Pandemie haben wir gemeinsam entschieden, zu helfen. Dann haben wir uns die Nächte um die Ohren geschlagen, um unsere KI auf Covid-19 zu trainieren und auch transparent darzustellen, wie gut und wie verlässlich sie ist. Und sie außerdem auf 36 Sprachen zu skalieren. Das heißt, wir sind sofort an die Front gegangen, um den Regierungen und den Bürger*innen ein verlässliches Tool an die Hand zu geben und bei der Risikoeinschätzung zu helfen.

Natürlich hat uns die Pandemie auch sonst beeinflusst, denn wir sind im Gesundheitsbereich tätig – die Krankenhäuser haben gerade viel zu tun … Wir haben keine Mitarbeiter*innen gehen lassen, wir sind weiterhin planmäßig gewachsen, um unsere Arbeiten durchführen zu können. Also von dem her war es eine sehr große Challenge, wie für jedes andere Unternehmen auch. Ich glaube, wir haben das aber ganz gut gemeistert: Wir essen immer noch zusammen, aber nicht physisch – also einmal in der Woche. Oder haben immer noch Teamevents, aber auch nicht physisch. Da wird dann spontan Musik gespielt, oder jemand erzählt, was ihn*sie grade bedrückt oder beschäftigt. Wir haben also immer noch ein sehr schönes Teamgefüge.

Der Teamspirit ist bei Symptoma besonders wichtig, daran hat auch die Pandemie nichts geändert. (Foto: symptoma.com)

(Titelbild: symptoma.com)

Veröffentlicht am 27. November 2020

Für Startup Salzburg und Innovation Salzburg ist sie auf der Jagd nach herausragenden Ideen und den Geschichten der Menschen dahinter. Als studierte Archäologin ist sie der Überzeugung, dass man Fortschritt und Innovation nicht aufhalten kann – als Kommunikationsprofi weiß sie, dass man darüber berichten muss.

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