Der erste Beitrag unserer Reihe „Innovatives Business Mentoring“ mit Patricia von Papstein beschäftigt sich mit Interessenskonflikten von Mentor*innen. Bezugnehmend darauf haben Polycular und Plabba die Aussagen der Mentorin unter die Lupe genommen.

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Wir haben mit Andreas Grugger und Wilfried Andexer von Plabba und mit Robert Praxmarer von Polycular über ihre Erfahrungen mit Mentoring gesprochen. Im Interview haben sie uns ihre Sicht auf Interessenskonflikte, No-Gos in der Mentor*innen-Beziehung und vieles mehr dargelegt.

Was habt ihr für Erfahrungen mit Mentor*innen gemacht?

Polycular: Sehr unterschiedliche. In vielen Programmen waren es eher Coachings und Coaches, die in kurzen Einheiten vermitteln sollten, wie man ein Startup leitet. Oftmals waren es leider Personen, die selbst nie ein Unternehmen oder große Abteilungen geleitet haben. Im Silicon Valley hatten wir auch diverse Mentoren, aber auch dort kocht jeder nur mit Wasser und das finanzielle Interesse an einer Verwertung steht im absoluten Vordergrund. Wird das Potenzial eines Startups nicht erkannt, ist man auch gleich nicht mehr interessant. Das Mentoring im Rahmen von Startup Salzburg war hier sicherlich eine positive, neue Erfahrung für uns. Michael Reinartz hat uns bei so einem großen Corporate wie Vodafone hinter den Vorhang schauen lassen. Dort konnten wir mit diversen Abteilungsleitern für Human Resources (HR) und Innovation reden. Sie haben wir zu unseren Produkthypothesen befragt, zum HR-Bereich und über alles, was wir wissen wollten.

Plabba: Die Zusammenarbeit mit unserem Mentor, Josef Bachler (GF der Stadlbauer Marketing GmbH), war in vielerlei Hinsicht bereichernd und wertvoll. Zum einen bekamen wir eine neue Perspektive durch einen sehr erfahrenen Geschäftsführer einer zu unserer Lösung eng verwandten Industrie (Spielzeugindustrie versus App für Babys und Kinder). Er half uns, die Kommunikation unserer Lösung zu schärfen und in einfachen und klaren Worten zu vermitteln. Zudem wurden unser Businessplan und unser Geschäftsmodell mit der langjährigen Expertise unseres Mentors kritisch hinterfragt. Er stand uns auch jederzeit für Diskussionen bei neuen Geschäftsideen zur Verfügung. Zudem wurde auch der Marketingexperte der Firma Stadlbauer hinzugezogen, um an den Marketingkonzepten zu feilen und diese zu optimieren.

Was ist eurer Meinung nach die Aufgabe von Mentor*innen?

Plabba: Für uns bedeutet Mentoring auf die Erfahrung der Mentor*innen Zugriff zu haben und von ihrer Expertise zu lernen. Mentor*innen sollen durchaus auch als Sparring Partner fungieren und kritisch die Ansätze und Umsetzung der Mentees zu hinterfragen. Idealerweise unterstützen Mentor*innen beim Netzwerken.

Polycular: Unserer Meinung nach sollten Mentor*innen mit ihrer Erfahrung helfen, gewisse Abkürzungen im Startup-Labyrinth zu finden. Eine Firma aus dem Nichts und ohne reiche Eltern zu gründen, ist eine große Challenge. Besonders, wenn es die erste Selbständigkeit und Unternehmensgründung ist, gibt es jeden Tag etwas zu lernen. Mit jemandem zu reden, der das alles schon einmal durchgestanden hat und ähnliche Krisen hinter sich hat, hilft eine andere Perspektive zu schaffen. Vor allem aber auch gibt es einem das Vertrauen, dass jemand anderer das schon geschafft hat und ähnliche Probleme und Ängste hatte, diese aber meistern konnte. Zu hören, wie jemand das vorher unmöglich scheinende möglich gemacht hat, ist sicherlich eine der besten Motivationen und Inspirationen für Gründer*innen.

(Foto: Hello I’m Nik on Unsplash)

Patricia von Papstein sagt, dass Gründer*innen ein Gegenüber brauchen, um erwachsen zu werden. Was haltet ihr von dieser Aussage?

Polycular: Mit dem Begriff „erwachsen werden“ habe ich eher ein Problem. Wenn ich mir die Welt täglich anschaue, dann bleibe ich lieber Kind. Ich finde Mentor*innen können einen schon herausfordern, aber im Endeffekt ist das Startup-Leben Herausforderung genug. Meiner Ansicht nach sollten Mentor*innen eher die Fragen stellen, die weh tun, und das ist hier wohl auch mit „erwachsen werden und herausfordern“ gemeint.

Als Gründer*in geht es im Stundentakt um Fragen und Entscheidungen, kleine und große. Wenn es um Entscheidungen geht sind Persönlichkeiten sehr unterschiedlich. Manche Gründer*innen gehen voll ins Risiko und sind nach drei Monaten pleite, „weil das muss man als Startup ja so machen“. Wir sind als Lean-Startup (Anm. d. Red.: ein Startup, in dem alle Prozesse so schlank wie möglich gehalten werden) immer bestrebt, Risiken zu minimieren, aber das Paradox natürlich ist, dass das nicht immer funktioniert. Stabilität ist eine Illusion und „erwachsen werden“ bedeutet in diesem Prozess zu wachsen. Die Probleme jedoch werden nie ausgehen, mehr Mitarbeiter*innen, mehr Geld, mehr Arbeit, mehr Möglichkeiten für Fehler, größeres Office und noch mehr Risiko. „Erwachsen sein“ bedeutet für mich in diesem Kontext: Durchatmen und sagen „just another day in startup life“, zu lächeln und immer wieder die Kraft zu haben, sich den neuen Problemen resilient entgegen zu werfen.

Plabba: Wahrscheinlich sind wir nicht die typischen Startup Gründer – alle Gesellschafter sind seit mehreren Jahren selbstständig und haben die Höhen und Tiefen des Unternehmerlebens bereits kennengelernt. Somit war es stets unser Ziel, Plabba als nachhaltiges Unternehmen aufzubauen. Für viele Gründer*innen ist es sicher eine Herausforderung, Unternehmer*innen zu werden. Wenn man das als „erwachsen werden“ bezeichnet – dann ja.

Was sagt ihr zu ihren No-Gos Rollenkonfusion, Angst und Respektlosigkeit. Seht ihr das auch so, habt ihr weitere No-Gos?

No-Go 1 Rollenkonfusion: Mentor*innen sind Vertrauenspersonen, die frei von direkten Geschäftsinteressen am Startup sein sollen.

Plabba: Für uns ist es kein Widerspruch, dass Mentor*innen auch in andere Rollen schlüpfen und sich als Coaches betätigen. Mentor*innen zeichnen sich ja auch durch eine langjährige Erfahrung, idealerweise im Betätigungsfeld des Startups aus. Es wäre schade, wenn diese Erfahrung nicht genutzt werden würde. Wir haben es zum Beispiel sehr begrüßt, dass unser Mentor unsere Geschäftsmodelle und Finanzen sehr wohl hinterfragt und mit uns diskutiert hat. Dass unser Mentor ab und zu die Rolle des Coaches übernommen hat, war bei uns eine ideale Ergänzung.

Polycular: Rollenkonfusion kann hinderlich sein. Im Silicon Valley war jeder Mentor im Prinzip auch Angel Investor, das hat seine Vor- und Nachteile. Wenn jemand auch mit finanziellen Interessen an das Startup gebunden ist, kann das auch zu einer sehr engen und fruchtvollen Beziehung führen, aber auch die Hölle auf Erden werden.

No-Go 2 – Angst: Mentor*innen sollen keine Angst schüren, sie sind keine Gönner*innen und die Mentees sind keine Günstlinge.

Polycular: Auch beim Thema Günstling und Gönner und daraus erwachsenden Ängsten sehe ich das eher neutral. Die Problematik gibt es sicher, aber man steht immer in sozialen Beziehungen und diese sind eben stark auf Geben und Nehmen aufgebaut. Ich glaube, es kommt hier stark darauf an, ob wirklich Druck aufgebaut wird, aber jeder kann auch Nein sagen, man muss nicht jeder Karotte nachlaufen.

Plabba: Dieser Aussage stimmen wir zu. Angst ist kein guter Lehrmeister und es soll keine Abhängigkeit zwischen Mentee und Mentor*in entstehen. Wohl aber ist es begrüßenswert, wenn Mentor*innen auf Risiken hinweisen, welche unter Umständen branchenspezifisch sind und somit den Mentee(s) nicht unmittelbar bewusst sind.

No-Go 3 – Respektlosigkeit: Mentor*innen sollen freundliche Distanz lehren.

Plabba: Diese Aussage zielt vermutlich auf sehr junge Gründer*innen ab. Respektlosigkeit ist grundsätzlich im Geschäftsleben (und auch im Privatleben) unangebracht und unprofessionell. Bei entsprechender Reife der beteiligten Personen ist Respekt sehr wohl auch in flachen Hierarchien bzw. kollegialer Umgangsform (so wie z. B. das gegenseitige Duzen) absolut möglich. Wie sehr das Verhältnis zwischen Mentor*innen und Mentee(s) kollegial bzw. amikal gestaltet ist, ist Teil der Vereinbarung dieser beiden Parteien und individuell zu vereinbaren. Wir persönlich lehnen jedoch ein Autoritätsgefälle zwischen Mentor*in und Mentee ab. Wir begegnen uns lieber auf Augenhöhe – wie erwähnt natürlich mit dem gegenseitig notwendigen Respekt.

Polycular: Respekt ist sicher Grundvoraussetzung, nicht nur in einer Mentor*innen Beziehung, sondern hoffentlich in allem was man tut nicht nur unternehmerisch.

Welche No-Gos seht ihr für Mentees in der Beziehung zu ihren Mentor*innen?

Polycular: Ich glaube, Vertrauen und Verschwiegenheit stehen über allem. Es wäre sicherlich ein No-Go, wenn Pläne, Strategien und Ideen woanders ohne Zustimmung kommuniziert werden.

(Foto: Prateek Katyal on Unsplash)

(Titelbild: Josh Appel on Unsplash)

 

Veröffentlicht am 12. November 2019

Für Startup Salzburg und Innovation Salzburg ist sie auf der Jagd nach herausragenden Ideen und den Geschichten der Menschen dahinter. Als studierte Archäologin ist sie der Überzeugung, dass man Fortschritt und Innovation nicht aufhalten kann – als Kommunikationsprofi weiß sie, dass man darüber berichten muss.

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