Wir stellen euch hier am Blog regelmäßig innovative Gründer*innen vor. Und wir fragen nach einiger Zeit nach, was sich seit unserem letzten Gespräch getan hat. Diesmal bei Sophie Bolzer, Founderin der Lern-App Audvice. Im Interview erzählt sie uns, warum sich ihr Geschäftsmodell komplett geändert hat, eine Reise ans andere Ende der Welt einen Neuanfang einleitete und wie die Corona-Krise den Turnaround befeuerte.
Startups
Was Spotify für Musikliebhaber*innen, das sollte Audvice für Studierende werden. Die App sammelt Wissen in kurzen Audio-Tracks, die als Playlisten organisiert und immer und überall gestreamt werden können. Im Unterschied zu Spotify konsumieren User*innen nicht nur. Direkt in der App können Inhalte auch einfach aufgenommen und mit anderen User*innen geteilt werden. Das Konzept klang enorm vielversprechend und spülte Sophie und ihrem Team zahlreiche Förderungen in die Kasse.
Die konnte das Startup gut gebrauchen. Denn der Programmieraufwand im Vorfeld war hoch. Außerdem konnte nicht ohne Content gestartet werden. Und so produzierte das junge Team über 500 Tracks mit Lerninhalten in Eigenregie, bevor die App im September 2019 gelauncht werden sollte.
Wir hatten ein massives „Chicken & Egg“-Problem. Ohne Content bekamen wir keine User, ohne User keinen Content. Daher haben wir ganz vieles selbst gemacht. Irgendwann mussten wir aber einsehen, dass das mit begrenzten Ressourcen und kleinem Budget nicht in dem Ausmaß machbar ist, wie es eigentlich notwendig wäre.
Um Inhalte zu produzieren und User*innen zu gewinnen, haben wir versucht, die App als Blended Learning-Tool in Lehrveranstaltungen einzusetzen. Da ist enormes Interesse retour gekommen und wir haben erste Pilotprojekte mit der FH Salzburg gestartet. Wir hatten damals eine öffentliche Audiothek, die für alle User*innen zugänglich war. Relativ rasch kam dann der Wunsch von Lehrenden, die Inhalte nur mit den eigenen Studierenden teilen zu wollen. Gleichzeitig haben uns Unternehmen kontaktiert, die die App für Corporate Learning einsetzen wollten. Daher begannen wir, uns parallel auch mit diesem Markt zu beschäftigen.
Wir erstellten kurzerhand ein Konzept, das vorsah, dass es neben der öffentlichen Bibliothek auch mehrere Audiotheken für einzelne Lehrveranstaltungen genauso wie Universitäten, Fachhochschulen und Unternehmen geben sollte. Und eben dort sollten Inhalte exklusiv mit authentifizierten Usern erstellt, geteilt und angehört werden können. Allerdings wollten wir nicht denselben Fehler noch einmal machen und uns in die Entwicklung stürzen, bevor wir das Konzept getestet hatten. Daher haben wir vorerst „nur“ einen Prototyp gestaltet.
Wir wurden am Web Summit in Lissabon im November 2019 als Alpha Startup ausgewählt und konnten dort das neue Konzept präsentieren. Innerhalb einer Woche haben wir alles was ging an Inputs und Feedbacks gesammelt – von Investor*innen, potentiellen Kund*innen, Geschäftspartner*innen und potentiellen User*innen. Während des Web Summits erfuhren wir, dass wir die österreichischen Finalisten beim Red Bull Basement sind und zum Finale nach Toronto fliegen dürfen. Wir saßen in der U-Bahn, als die Nachricht kam, und haben wohl den ganzen Wagon mit unserer Euphorie angesteckt.
Und die galt es zu nützen. Zurück in Salzburg haben wir daher unser gesamtes Konzept überarbeitet und uns überlegt, wie das alles zusammenpassen kann – vor allem auch mit der Audiothek, die wir Studierenden nach wie vor kostenlos zur Verfügung stellen wollten. Unser Plan war es, diese mit dem kostenpflichtigen Angebot für Unternehmen, Universitäten und Fachhochschulen zu subventionieren.
Genau, dort haben wir die Idee vorgestellt. Red Bull Basement war eine einzigartige Erfahrung für uns. Vier Tage voller Eindrücke, Learnings, Aufregungen und Erfolgen – mit unglaublich schlauen und motivierten Studierenden aus 25 Ländern.
Jaaaa :-). Nach wie vor kaum zu glauben. Das hat uns zuhause einen irrsinnigen Push gegeben. Man hat uns plötzlich ernst genommen und gewusst, wer wir sind. Es wurde über uns berichtet und wir haben sehr viel an Glaubwürdigkeit gewonnen, weil wir bewiesen haben, dass auch ein kleines Startup aus Salzburg sich international durchsetzen kann.
Wir mussten uns eingestehen, dass wir auf Dauer nicht auf jeder Hochzeit tanzen können. Wenn wir versuchen, Studierende, Hochschulen und Unternehmen gleichzeitig zu adressieren, fühlt sich zum einen keiner wirklich angesprochen. Und zum anderen geht sich das mit unseren begrenzten Ressourcen gar nicht aus. Es ist uns aber wahnsinnig schwer gefallen, uns für eine Richtung zu entscheiden.
Wir dachten, das ist unser Moment und wir verkaufen Campus-Lösungen an alle Hochschulen dieser Welt. Aber so war es defacto nicht. Interessiert haben sich alle dafür. Gekauft und implementiert hat es dann aber niemand.
Ja, aber im Endeffekt war es das nicht. Vielmehr war es die finale Bestätigung, dass der Markt nix für uns ist. Wenn Unis und FHs in der Krise, wo alle nach einem Distance Learning -Tools suchen, unsere Lösung nicht kaufen, dann werden sie es ohne Krise auch nicht tun. Und nachdem wir zur selben Zeit zwei bezahlte Pilotprojekte mit Unternehmen in Aussicht hatten, haben wir uns dazu entschlossen, uns voll und ganz auf den B2B-Markt zu konzentrieren. Und das hat sich ausgezahlt, denn mittlerweile dürfen wir zwei Fortune500-Unternehmen zu unseren Kund*innen zählen, machen erste Umsätze und haben einen Investment Case, mit dem wir einen wachsenden Markt angehen.
Wir sind aktuell in Verhandlung für eine erste Finanzierungsrunde. Wir wünschen uns Investor*innen, die uns in Sachen Sales und Fundraising künftig mit ihrem internationalen Netzwerk unterstützen. Nachdem wir ein marktfähiges Produkt haben, fokussieren wir uns jetzt voll und ganz auf Sales und wollen weitere namhaften Großkund*innen für uns gewinnen.
(Titelbild: CD-X on Unsplash)
Veröffentlicht am 28. Oktober 2020