Als Autor der Bestseller „Kopf schlägt Kapital“ und „Wir sind das Kapital“ wurde Günter Faltin als Experte für Entrepreneurship bekannt. Der heute an der Chiang Mai Universität in Thailand lehrende Professor hat nach dem von ihm entwickelten Komponentenmodell die Teekampagne gegründet. Wir haben ihn live erlebt und 5 Tipps aus seinem Workshop für euch zusammengefasst.
Ecosystem
Beim Gründen sollte es dir nicht um Entrepreneurship gehen, sondern um ein geglücktes Leben. Für was kannst du dich begeistern und vor allem: Was fällt dir leicht? Eine nicht ganz einfach zu beantwortende Frage, da gerade das, was leicht fällt, oft nicht als etwas Wertvolles erkannt wird.
Auch die Beweggründe sollten genau angeschaut werden: Jemand möchte ein ägyptisches Restaurant gründen – wieso? Was ist es, was an Ägypten begeistert? Die Mentalität, die Landschaft, die Geschichte? Kann das, was die Begeisterung auslöst mit einem Restaurant wirklich gelebt werden? Oder ist die Person am Ende unglücklich, weil sie Einkauf, Personal und alles andere managen soll, obwohl sie doch eigentlich nur die ägyptische Mentalität so inspirierend fand?
Als Gründer bist du ein Nobody. Niemand kennt dich, niemand hat auf dich gewartet. Du musst dich durchsetzen gegenüber Unternehmen, die mehr Geld , Personal und Erfahrung haben als du. Du bist David. Gegen Goliath hilft dir nur ein überlegenes Konzept. Es muss sich so sehr unterscheiden, dass sich das mit der Aufmerksamkeit quasi von selbst erledigt.
Beispiel Teekampagne (siehe auch Infobox): Es gab Darjeeling Tee, es gab Großpackungen, es gab Logistikunternehmen. Das wirklich Bahnbrechende an der Teekampagne war, dass hochqualitativer Darjeeling Tee zu einem Drittel des bisherigen Normalpreises angeboten werden konnte. Das war möglich, weil Faltin sich auf eine Sorte konzentrierte, Zwischenhändler wegließ und Großpackungen anbot. Faltin nennt das „konzeptkreative Gründung“.
Viele Gründer haben ihre Idee und beißen sich dann darin fest. Diese Idee sollte aber auch auf den Prüfstand gestellt werden: Wenn du an neuen Möbeln baust, solltest du dich nicht sofort darauf versteifen, sondern erst einmal die Idee öffnen: Statt an Möbel zu denken, denke an den Raum und die Bedürfnisse von Menschen in diesem Raum. Vielleicht kommst du am Schluss wieder zu deinem Möbel. Vielleicht aber auch zu etwas ganz anderem.
Steht deine Idee, kannst du mit System und Methode daran gehen, sie zu verbessern und innovativer zu machen. Hier zwei Beispielmethoden von Faltin:
Neue Sichtachsen legen:
Die auffälligen Hüte der Frauen beim Pferderennen von Ascot sind mittlerweile legendär. Sie arbeiten mit den Sichtachsen Farbe, Form und Material. Was wenn nun ein ganz neuer, nie dagewesener und spektakulärer Hut geschaffen werden soll? Füge neue Sichtachsen hinzu. Zum Beispiel Bewegung. Dann brauchst du noch die Komponente „professioneller Hutmacher“, um aus deiner Vision Realität zu und aus dem Hut ein bewegtes Kunstwerk zu machen. Andere Sichtachsen wären auch Musik oder Natur.
Funktion statt Konvention:
Wir leben in einer Welt voller Konventionen und machen was wir machen weil wir es eben immer so gemacht haben. Das zu durchbrechen und der Funktion zu folgen, kann einiges an Innovation nach sich ziehen. Auch hier ein einfaches Beispiel von Faltin: Wer will im Kaffeehaus tatsächlich Kaffee trinken? Oder geht es eher darum, unter Menschen zu sein, Zeitung zu lesen, auszuruhen oder gar jemanden kennenzulernen? Würde bei letzterem Punkt eine frei zugängliche Kaffeemaschine möglicherweise viel eher die gewünschte Funktion des Kennenlernens erfüllen? Brauchen wir die besten Kaffeesorten aus den verschiedensten Ländern, wenn die Menschen eigentlich nur eine Auswahl an Zeitungen zur Verfügung haben wollen?
Natürlich ist nicht jede Methode für jede Fragestellung geeignet. In seinem Buch „Wir sind das Kapital“ zählt Faltin noch viele weitere Methoden auf.
Dein Konzept solltest du immer wieder testen. Mach Prototypen und Probedurchläufe bevor du größere Summen investierst. Zum einen spart dir das am Ende Geld. Zum anderen wäre eine Kultur des Scheiterns natürlich schön, allerdings haben wir eine solche bei uns (noch) nicht. Es wäre also besser, wenn du mit deinem Unternehmen Erfolg hast. Günter Faltin vergleicht das mit Roulette: Bei einem undurchdachten Start setzt du alles auf eine Zahl. Das kann aufgehen, wahrscheinlich ist es aber nicht. Lieber noch etwas länger im ungeliebten Job bleiben und nebenbei am Konzept feilen und Testläufe machen, als ins kalte Wasser springen.
Wir haben heute Experten und Dienstleister für alles und können kostenlos mit der ganzen Welt kommunizieren. Nutze das! Dass ein Gründer Rechts- und Steuerfragen aller Art beantworten können muss, Marketer, Showmaster und Forscher in einem sein soll, gehört nach Faltin in die Mythenecke. Du sollst der Komponist sein, der verschiedene Komponenten nutzt und sie zusammensetzt. Auch Faltin selbst hat die erste Versand-Software von Studenten programmieren lassen und musste sich am Ende doch an Professionisten wenden. Mit professionellen Komponenten kannst du das Risiko für Ausfälle sehr minimieren bzw. auf andere verteilen. Beauftragst du ein Logistikunternehmen, haftet es auch gleichzeitig für die Ware. Wenn Bekannte etwas beschädigen oder verlieren, wirst du wahrscheinlich darauf sitzen bleiben. Verabschiede dich vom Dilettantismus!
Für Lesefaule haben die 5 Ideen „Kopf schlägt Kapital“ zusammengefasst:
Fotos: WKS/Kolarik (Titelfoto), Enrique Miguel Pasquali
Veröffentlicht am 15. November 2017